Wieder ein Thema rund um Geburt, das von – und ich übertreibe nicht – von großer Bedeutung ist und mir sehr am Herzen liegt: laut sein unter der Geburt! Ehe ich mich auf das Thema einlasse: leise sein ist auch okay, es soll nur Frau danach sein.
Ich habe meine Ausbildung in einer Zeit gehabt, in der ganz leise sein, ja Lautlosigkeit im Gebärzimmer als hohe gesellschaftliche Tugend allgemein und von den professionellen BegleiterInnen im Besonderen empfunden wurde. Ich muss gestehen, ich habe anfänglich auch zu jenen gehört, die mit einem mehr oder weniger energischen Psst die Gebärenden zur Stille mahnten. Auch für Sprüche: „Sie verschrecken ja alle anderen“ entschuldige ich mich heute im Geiste.
Schreiende, ungehemmt schreiende, auch vor Schmerzen schreiende Frauen haben mich zum inneren Rückzug gebracht, ja geradezu abgestoßen. Ich weiß nicht mehr, wann und vor allem wodurch das Umdenken, oder besser gesagt, eine andere Sicht auf Laut-Sein unter der Geburt eingeleitet wurde. Wahrscheinlich ging das parallel zu meinem eigenem Mich-Besser-Kennen. Ich vermute, ich habe viel zu selten in meinem Leben aus vollem Leibe geschrien.
Irgendwann war mir klar: oben zu, unten offen: das geht nicht! Frau öffnet sich oder ist verschlossen. Widersprüchlich geht es nicht bzw. macht es das Gebären unnötig schwerer. Die Gebärmutter, den Muttermund, die Scheide öffnen und ein Kind herauslassen, es ins extrauterine Leben entlassen und oben Laute, Töne und Geräusche im Körper unterdrücken, das geht nicht!
Heute möchte ich jeder Frau sagen: lassen Sie sich / lass dich gehen, ja brüllen Sie /brülle, wenn, was das Zeug hält und wenn die Wände wackeln! Das Wichtigste: wenn ihr danach ist! Besonders berührt hat mich eine Frau (und sie hat mich so berührt, dass ich mich mehr als 20 Jahre später genau an sie und ihren Namen erinnern kann), die ein paar Stunden nach der Geburt als sie das Geburtshaus verlassen hat, ganz verschmitzt geflüstert hat: „Ich habe gar nicht gewusst, dass ich so schreien kann!“
Aber eines ist schon klar: die räumlichen Verhältnisse müssen passen (Türen und Wände). Die Geräusche müssen im Raum bleiben. Die Intimität muss gewahrt bleiben. Wer hat es schon gerne, wenn sie /er beim Sex laut ist und andere hören mit. Auch das Bewusstsein, dass dem so ist, kann blockieren. Geburtsräume, wo auch immer sie sind, müssen dementsprechend geplant sein. Architektur muss an die Bedürfnisse angepasst sein! Nicht umgekehrt!
Ich habe mich lange gefragt, wieso Laut-sein unter der Geburt so oft negativ aufgenommen wird. Ich denke, manchmal ist es so, weil körperlicher Schmerz öffentlich wird und das ist ein Tabu. Manchmal liegt der Grund darin, weil Geburtsschmerz ekstatisch ist und man beim unbeeinflussten Zuhören meinen könnte, dass – auch ein Tabu – gerade sexuelle Ekstase stattfindet.
So ein Schmarrn. Und das von jemand, der sein halbes Leben Frauen bei der Geburt begleiten sollte.
Die Geburt ist eine derartige Naturgewalt. Frauen sind dieser Gewalt klomplett ausgeliefert. Da kann frau sich nicht mehr fragen, will ich schreien oder nicht, bin ich ungehemmt oder nicht. Ein Mann kann sich das gar nicht vorstellen. Vielleicht stößt die Männer das dann auch ab, dass die Geburt nicht anders geht, als bei Tieren, weil Männer immer so ein Denken haben, Menschen müssen geistig sein oder selbstbestimmt. Ja damit ist es bei der Geburt vorbei. Ich finde es entbehrlich, dass Männer Komentare dazu abgeben.
Ich muss Dr. Adam absolut beipflichten! Einige meiner Freundinnen, haben nach der Geburt erzählt, dass es ihnen zu peinlich gewesen wäre, wenn sie geschrien hätten. Ich selbst habe 3 wunderbare Kinder mit Dr. Adams Unterstützung geboren und ich habe geschrien und wie!! Es hat mir Kraft gegeben, um meinen Kindern auf die Welt zu helfen. Eine Geburt ist für mich eine Art Grenzüberschreitung der eigenen Kraftreserven und ist sicher nicht schön, aber der Moment, wenn dieser unbeschreibliche Schmerz nachläßt und dein Kind da ist, zeigt einer Frau- Es hat sich gelohnt!!