Fast zwei Jahrzehnte – durch das ganze, zu kurze Leben des Geburtshauses Nussdorf – haben wir uns darum bemüht, das Geburtshaus als Teil des geburtshilflichen Angebotes in unserem Land zu etablieren. Vor allem wollten wir erreichen, dass Krankenkassen – und sei es nur teilweise – dafür bezahlen. Und immer wieder kommt die Frage: Wieso ist das nicht gelungen? Ich meine, weil man / die Politik das nicht wollte! Der langjährige Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger Josef K. hat es in zwei Sätzen zusammengefasst: „Schlagen Sie sich das aus dem Kopf! Wenn ich an einer Ecke der Decke (= Summe der verfügbaren Geldmittel) anziehe, dann fehlt es an der anderen Ecke“. Ende des Zitates. Und genau so ist es: an dem Kuchen darf nicht geknabbert werden, sonst könnte das ganze fragile Konstrukt Gesundheit stürzen. Es wäre ein Tabubruch gewesen, der – so klein er auch gewesen wäre – das Ganze in Frage gestellt hätte.
Am Ende dieses Lernprozesses stand die Erkenntnis, dass nur politischer Wille weiter führt. Die besten Argumente sind bedeutungslos, weil es sich die Macht leisten kann, nicht argumentieren zu müssen. Will man in der Geburtshilfe etwas ändern, so muss man die Verbündeten dort suchen, wo möglicherweise Interesse oder Verständnis vorhanden ist. Das hat nichts mit der politischen Färbung zu tun. Faktum ist, dass üblicherweise ältere Herren in jenen Positionen sind, wo die Entscheidungen getroffen werden. Sowohl aus eigenen als auch aus Erfahrungen in anderen Ländern (Schweden, Norwegen, Großbritannien und auch anderen Ländern), bin ich überzeugt, dass wenn, dann nur Frauenpolitik, sprich Frauen aus verschiedenen politischen Gruppierungen, egal, ob rechts oder links, ob rot, grün, blau oder sonst wie gefärbt, imstande sind, Veränderungen herbeizuführen. Entscheidend ist, dass Frauen in Parteien und Organisationen, das Geburtshaus-, Hebammen- und Frauenanliegen zu ihrer Sache machen und die Herren in ihren jeweiligen politischen Lagern zu überzeugen versuchen!
Lasst Euch nicht entmutigen, rackert und ackert und gebt nicht auf. Das ist meine Botschaft. Und wenn ich diesbezüglich behilflich sein kein: keine Scheu, ich stelle unsere Erfahrungen gerne zur Verfügung.
Zum Schluss dieses Kapitels kurz zusammengefasst, was wir durchsetzen wollten und ein paar Anekdoten, mit welchen Argumenten wir gebremst worden sind …
Unsere Triebfeder:
– die Überzeugung, dass jede Schwangere Expertin für ihre Schwangerschaft ist, dass ihr inneres Wissen eine wertvolle Ergänzung zur medizinischen Betreuung ist und beides zusammen eine anders nicht erreichbares Maß an Sicherheit ermöglicht
– Geburtshilfe soll auf der Basis von wissenschaftlicher Evidenz betrieben werden,
– die Überzeugung, dass jede Frau das Anrecht auf respektvollen und würdigen Umgang in der Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett hat und des weiteren
– die Überzeugung, dass jede Frau bzw. jede Familie durch die Bezahlung ihrer Krankenkassenbeiträge das Anrecht hat, selbst zu entscheiden, wie diese Betreuung aussieht.
Das alles glaubten wir wirklich. Wahrscheinlich glaubten wir damals auch noch an das Christkind und dass die Erde eine Scheibe ist.
Warum es anders kam? Siehe oben. Es ist komplex und für den Laien nicht bis kaum nachvollziehbar. Daher will ich auch gar nicht versuchen, es der geneigten LeserIn zu erklären.
Der Landessanitätsdirektor von Wien, 1985 oder 1986:
„Das, was Sie da vorhaben, geht nicht. Die Gesetze lassen das nicht zu. Wenn Sie das machen wollen, müssen Sie schaun, dass diese Gesetze geändert werden.“
Und am Schluss, als ich schon in der Tür stand: „Warten Sie. Ich erzähle Ihnen noch eine Geschichte. Wie meine Tochter schwanger war, war sie natürlich bei einem Kapazunder in Betreuung. Der hat ihr gesagt, dass der Geburtstermin nicht stimmen kann, das Kind sei viel zu groß. Meine Tochter wusste aber genau, wann sie schwanger geworden war, weil ihr Mann damals geschäftlich viel unterwegs war und nur ein paar Tage zuhause. Naja, er hat ihr nicht geglaubt, dann wurde die Geburt eingeleitet und herausgekommen ist ein Kind mit zweieinhalb Kilo. Und wenn die noch einmal schwanger werden sollte, dann schicke ich sie ins hinterste Waldviertel und verbiete ihr, irgendeinem Doktor zu sagen, wer ihr Vater ist, damit ihr so was nicht noch einmal passiert.“
Meinen Hinweis, dass er genau verstanden hätte, um was es uns geht, hat er dennoch nicht angenommen.
Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse 1988 oder 1989, nachdem uns der Wiener Gesundheitsstadtrat nicht mehr so ablehnend gegenüber stand, ja sogar eine gewisse Sympathie erkennen ließ.
Volker Korbei zu Hofrat W. in einem Gespräch, in dem es um Kostenübernahme von Geburten ging. „Herr Hofrat, sogar Herr Stadtrat St. unterstützt uns schon.“ W.: „Was glauben Sie, wie viel Stadträte ich schon erlebt habe. Alle vier Jahre einen neuen.“
Der Generaldirektor der Wiener Gebietskrankenasse Dr. Rudolf B. bei einem persönlichen Termin in seinem Büro – sehr elegant mit dunkelbrauner Holztäfelung -, das auf Initiative von Freunde B’s zustande gekommen war. Mir wurde er so angekündigt: „Sie werden sehen, er wird Ihnen gut zuhören und es kommt bestimmt was Gutes raus.“
Das hörte sich dann so an: „Meine Experten sagen mir, was Sie dort (Anm.: im Geburtshaus) machen, ist gefährlich!“ Ich: „ Ich habe Ihnen unsere Zahlen mitgebracht, die sind sehr gut.“ B.: „Meine Experten sagen aber etwas Anderes.“ Ich: „ Na dann lassen Sie mich mit Ihren Experten hier vor Ihnen diskutieren und Sie machen sich selbst ein Bild.“ Das hat er dann doch nicht wollen.
Und zum Schluss ein Zitat, das zwar nicht ganz dazu passt, aber auf eine besondere Weise sehr erhellend ist. Es muss so Mitte der 1990er gewesen sein. Wieder einmal haben wir Politiker direkt angesprochen. Diesmal war es der damalige Gesundheitssprecher der ÖVP im Wiener Rathaus. Nach einem kurzen Rundgang durch’s Geburtshaus meinte er lakonisch: „Das das, was Sie da machen, gut ist, das wissen Sie auch ohne mich. Ich sage Ihnen aber eines: sie sind zwar unser Koalitionspartner (Anm.: die Wiener SPÖ), aber bevor die etwas mit einem Privaten machen, machen sie es lieber selber und am Schluss ist beides hin. Ihres(Anm.: das Geburtshaus), weil es niederkonkurrenziert worden ist und ihres (Anm.: gemeint ist das städtische Alternativprojekt), weil es schlecht gemacht ist.“
Prophetische Worte, an die ich später oft gedacht habe.
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