Evaluation des Projektes „Wahlhebammen – selbstbestimmt gebären in der Semmelweis-Frauenklinik.“ oder Wiener Erfahrungen

In diesen Tagen mutet einem der Satz „Sachen gibt‘s, die gibt’s gar nicht“ häufig an. Er passt auch auf meine Erfahrungen als Projektleiter bzw. als Evaluator (schöne Wortkreation, oder?). des Projekts „Wahlhebammen – selbstbestimmt gebären in der Semmelweis-Frauenklinik).“ Ehe ich mich den Details zuwende, erlaube ich mir den Hinweis, dass ich von der Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbundes darauf hingewiesen wurde, dass ich über das Ende meines Dienstverhältnisses hinaus zur Verschwiegenheit von Fakten und Umständen verpflichtet bin, die mir aus meinem Dienstverhältnis bekannt sind. Bei Vergehen muss ich mit Sanktionen rechnen. Dieser Formulierung konsequent zu folgen, so bedeutet das streng genommen stumm zu bleiben, zumal mir auch die Lage der Toiletten im Bereich der Nachtdienstzimmer nur aus dem Umstand meines Dienstverhältnisses bekannt ist Das kann es ja wohl nicht sein. Aber wer weiß? Es hat schon seinen Grund, dass in diesem Land das Amtsgeheimnis gültiges Recht ist.

Also wollte ich das schwer vorstell- bzw. beschreibbare in einer Satire verpacken. Das Ergebnis dieses Versuches hängt am Schluss dran. Jedenfalls hat das Probelesen durch eine Versuchsperson ergeben: das versteht niemand!
Also versuche ich es mit Klartext und werde mich bemühen, das Amtsgeheimnis nicht zu verletzen (und das nachdem im Standard vom 7.11.2013 (http://derstandard.at/1381371216309/Kein-Ausbau-des-Wahlhebammenangebots?seite=2#forumstart) ohnehin schon ein paar Details zu lesen waren).

Also alles der Reihe nach.

Ca. 1995 -2000: Semmelweis-Frauenklinik: Projekt „In Geborgenheit geboren“ Frauen gebären unter Begleitung einer persönlichen Hebamme, die von den Gebärenden selbst bezahlt wird“ (so genannte „Wahlhebammengeburten“).
Nach Projektende weiterlaufen dieser Geburten aufgrund der Nachfrage ohne Rahmen. Das geschieht gegen teilweisen Widerstand von ÄrztInnen.

2003-2008 Die Semmelweisklinik wird als Department geführt (Department Semmelweisfrauenklinik der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien).
Ich werde zum Departmentleiter ernannt. Vorgabe: das in der Semmelweisklinik zu implementieren, was im Geburtshaus gelebt worden ist. Da passt das Angebot „In Geborgenheit geboren“ gut dazu.

2008 Die Semmelweisklinik wird wieder eine eigene Abteilung mit einem Primarius. Primaria wird Frau Univ.Prof. Dr. Kohlberger. Zu Frau Prof.Kohlberger gibt nichts zu sagen, außer dass sie nach einem Zwischenspiel im Vorstand der steiermärkischen Krankenanstalten Landeskrankenanstalten KAGes wieder einfache Ärztin im Wiener AKH ist. Und das ist auch gut so.
Ihre erste Amtshandlung in der Semmelweisklinik: das Verbot von Wahlhebammengeburten und zwar mit sofortiger Wirkung: es gäbe keine rechtliche Basis. Was stimmte, aber es war ein typisches, erfolgreiches Provisorium. Folge: da der Partner einer betroffenen Frau Redakteur beim Standard war, erscheint dort ein Bericht darüber. Große Aufregung. Die führt dazu, dass Bürgermeister Häupl den Auftrag erteilt, in Monatsfrist wieder Wahlhebammengeburten zu ermöglichen. Kohlberger weiß. das in einem Mix aus Chuzpe und Dreistigkeit unglaublich in die Länge zu ziehen. Bei ihr habe ich gesehen, was frau alles mit Vorgesetzten machen kann bzw. was die mit sich machen lassen.

In einem vorbildlichen Prozess werden schließlich gemeinsam nach dem Abgang Kohlbergers Richtlinien erarbeitet, die Wahlhebammen bis ins Detail regeln.
Danach dürfen Wahlhebammengeburten wieder stattfinden. Allerdings haben sich in der Zwischenzeit die „alten“ Wahlhebammen im St. Josef-Krankenhaus gut eingerichtet. Zurück wollen sie nicht mehr, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie dort auch willkommener sind. So haben die Verhinderer in der Semmelweisklinik doch noch ganz schön viel erreicht ….

Ich war nach vier Jahren als Departmentleiter und einem Jahr als supplierender Primarius ohne konkrete Aufgabe. Da ereilte mir der Herr Generaldirektor persönlich den Auftrag, die Wahlhebammengeburten zu erfassen und auszuwerten.
Erklärtes Ziel: die Zeit bis zur Eröffnung des Krankenhauses Nord 2015 zu nützen und die Wahlhebammengurten in der Semmelweis zu evaluieren und die Erkenntnisse im Krankenhaus Nord umzusetzen.
Ich fand diese Aufgabe als ehrenhaft, schön und lohnend. Ich war überzeugt, dass dasselbe rauskommen wird, wie bei allen anderen derartigen Untersuchungen: Frauen wollen das, sie sind zufriedener als in der Regelbetreuung und die Zahl an Interventionen ist geringer (vor allem die Kaiserschnitte).

Tatsache ist: ich habe das gemacht. Und wie. Besonders hat mich die Anerkennung durch Frau Prof. Schücking, Rektorin der Uni Leipzig und eine der ersten Hebammenwissenschaftlerinnen überhaupt: niemand zuvor hat so einen Zugang gewählt und hätte solche Zahlen.

In der Semmelweisklinik wurde Folgendes realisiert:

1. Alle Wahlhebammengeburten der Jahre 2011 und 2012 wurden erfasst.
2. Jeder Frau, die mit einer Wahlhebamme geboren hat wurde eine Frau gegenübergestellt, die in Alter, Parität und Bildung übereinstimmte.
3. Für diese beiden Gruppen wurden einerseits die „harten“ medizinischen Daten wie Geburtseinleitungen, Geburtsdauer, Einsatz von wehen verstärkenden Medikamenten, Geburtsmodus (spontan, Saugglocke, Kaiserschnitt), Geburtsposition (am Rücken liegend, hockend, stehend, Badewanne etc.), Dauer des stationären Aufenthaltes, Gesundheitszustand der Neugeborenen etc.
4. Darüber hinaus wurden alle diese Frauen nach einiger Zeit angerufen und nach einem zuvor in der Klinik erarbeiteten Fragebogen (mit der Möglichkeit zu persönlichen Statements) zu ihren Erfahrungen rund um ihre Geburt befragt.

Aus den Ergebnissen sind meiner Meinung nach – vorsichtig formuliert – interessante Hinweise zu gewinnen. Der Herr Generaldirektor hat als Ziel der Evaluation genannt, die Daten bis zur Übersiedung der Semmelweisklinik ins neue Krankenhaus Nord w- so sie sinnvolle Hinweise ergeben – weiter zu erheben und die Erkenntnisse dort auch umzusetzen. Details darf ich nicht nennen (ich empfehle allen InteressentInnen, sich an den Herrn Bürgermeister Dr. Michael Häupl, an die verantwortliche Stadträtin, Frau Mag. Sonja Wehsely und an die Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbundes zu wenden und um Übermittlung des Berichtes zu bitten; das Projekt ist schließlich mit Steuergeld finanziert und daher unser aller Produkt).

So viel darf gesagt werden (zumal es auch schon im Standard zu lesen war): es finden sich unter anderem wertvolle Anregungen zu 2 Aspekten:
1. In einer Gruppe gab es weniger Kaiserschnitte (die in Österreich zu hohe Kaiserschnittrate wird von der Mehrzahl der ExpertInnen für ein volksgesundheitliches Problem gehalten)
2. In derselben Gruppe war die Aufenthaltsdauer kürzer als in der anderen = Möglichkeit der Bettenreduktion (volkswirtschaftlicher Benefit!) und wenn man jetzt noch weiß, dass die Frauen in dieser Gruppe zufriedener waren, so wird der Umgang damit vollends unverständlich: weniger Spitalsbetten und das bei höherer Qualität!

Jetzt ist das ganze also fertig, der Herr Generaldirektor hat sich bei mir für die hervorragende Arbeit bedankt (und das, ehe er das fertige Produkt in Händen hatte ….) und jetzt wird es unter Verschluss gehalten. Seine persönliche Vertreterin Frau Dr. Susanne Drapaliks ließ wissen, dass an eine Weiterführung bzw. Umsetzung nicht mehr gedacht ist.

Ich erlaube mir daher, darüber zu spekulieren, was diesen Sinneswandel bewirkt hat, kommuniziert wurde er nicht.

– Andere StadträtInnen andere Überlegungen. Gesundheitsstadträtin Dr.a Pittermann wollte mich und Hebammengeburtshilfe in der Semmelweis-Frauenklinik, Mag.a Brauner ebenso. Unter Mag.a Wehsely war es nicht mehr erwünscht?
– Einigen ÄrztInnen hat Wahlhebammengeburtshilfe auch nicht gefallen. Motto: wir wollen auch so eine Spielwiese? Was die betroffenen Frauen wollen – egal!

– Auch die Pflege und in deren Fahrwasser die Gewerkschaft: njet? Dazu muss man wissen, dass seit Jahren ein Kampf zwischen Pflege und Hebammen um die Betreuung um das Wochenbett tobt. Meiner Meinung nach soll die Betreuung der normalen Schwangeren, der normalen Geburt und der normalen Wöchnerin Hebammensache sein.

– Aber vielleicht gibt es auch ganz andere Gründe????

Und weil es so gut passt eine Empfehlung:

P.S.: selbstverständlich ist mir bewusst, dass das Wahlhebammenprojekt Zweiklassenmedizin ist. Deshalb war unser Ziel, über diesen Umweg die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass Hebammenteambetreuung Sozialmedizin und salutogenetische Medizin im besten Sinne sind. Bereits 2005 haben leitende Kräfte in der Semmelweis-Frauenklinik ein Projektpapier verfasst, indem eine derartige Betreuung dargestellt und die finanzielle Sinnhaftigkeit durchgerechnet wurde. Bisher leider ohne Erfolg.

Und hier noch der verworfene Text:

Garbold
und
wie er die Welt im Griff hat

Es war einmal in einer großen Stadt, in der war alles streng und gut geregelt. Und das zum Wohle der in dieser Stadt lebenden Zwergerln. Da gab es die gottsöbersten Zwergerln und unter denen gottsoberste Zwergerln, die sich um die Gesundheit Ihrer Untertanenzwergerln sorgten und daher auch kümmerten. Einer von denen war Garbold. Der kümmerte sich im Auftrag der ganz gottsöbersten Zwergerln – da war zum Beispiel der Kopferl, ein ganz besonders kluger und vor allem gevifter Gottsöberster und Beseli, die sich so richtig auf’s Aufkehren verstand – also in deren Auftrag schaute er darauf, dass in den großen Gesundheitstempeln alles richtig liefe.

Unter den Untertanen gab es aber ein paar, denen es nicht so richtig gefiel, wie die Gebärzwergerln den Zwergerlnachwuchs in die Zwergerlwelt setzten: sie wünschten sich was gar nicht Besonderes, aber ein bisserl was Anderes für die Geburt ihrer Zwergzwergerln: unter anderem ein persönliches Geburtszwergerl. Nicht die Weißmantelzwergerln sollten die Oberbetreuer sein, nein partout ein Geburtszwergerl sollte es sein. Aber die ganze Welt soll wissen, dass die Gebärzwergerln nichts, aber schon gar nichts gegen die Weißmantelzwergerln hatten. Die Gebärzwergerln fanden halt nur, dass beim Durchschnittszwergzwergerlsetzen die Weißmantelzwergerln nicht nötig wären. Die waren mit dem Kaiserschneiden in diesen Tagen derweil ohnehin viel beschäftigt (aber das ist eine andere Geschichte unserer Zwergerlstadt)..

Und weil die Gebärzwergerln – so wie alle anderen Untertanen auch – alle fünf Jahre beim großen Scherbengericht mitmachen dürfen, gewährten die Gottsöbersten vor langer Zeit Erfüllung dieses Wunsches.
Und weil ja die Gottsöbersten stets nur unser aller Bestes wollen und ein Weißmantelzwergerl, es hieß Zwadam, nix zu tun hatte, bekam Zwadam den Auftrag, den Geburtszwegerln gut zuzuschaun und alles was zu sehen und hören war aufzuschreiben. Ganz genau sollte Zwadam alles aufschreiben und überhaupt halt alles tun, damit auch alles gut verstanden würde. Die Gottsöbersten hatten nämlich gesagt, dass sie das alles wissen wollten, weil sie nämlich gerade dabei waren, einen ganz großen, ganz neuen Gesundheitstempel zu bauen und alles, was da Gscheites und Blödes von Zwadam aufgeschrieben werden würde, das sollte in dem neuen, ganz großen Gesundheitstempel jenseits des großen blauen Flusses zum Nutzen aller dort Wirklichkeit werden.

Und so grübelte, plante, telefonierte, redete, rechnete Zwadam und machte auch sonst noch Allerlei. Und viele Menschen z.B. die mit den großen Rechnern und auch die Gebärzwergerln halfen fleißig mit und am Schluss gab es ein Papier mit vielen Zahlen und – Überraschung – dort konnte man lesen, dass das Zwergerlindieweltsetzen der Zwergzwergerln mit den Gebärzwergerln …… eh, halt: das darf jetzt aber nicht geschrieben werden! Denn das, was da herausgekommen ist darf Zwadam nämlich nicht weitersagen. Gar nichts, rein gar nichts darf er sagen. Auf einmal sagte Grabold, dass das ja alles sehr schön wäre, ja er gratulierte Zwadam sogar überschwänglich zu seinem „hervorragendem Papier“, wie Garbold elektronisch wissen ließ. Aber nix war mehr die Rede vom Machen im großen und neuen Gesundheitstempel jenseits des großen blauen Flusses.
Was war da geschehen? Wir wissen es nicht. Einmal wurde einem Schreiberling gesagt, dass zu wenig Zwergerlindieweltsetzen in Zwadams Papierl drin ist. Das versteht der aber nicht, eil doch jede Sache bei Eins beginnt, oder? Auf jeden Fall interessierte das die gottsöbersten Zwergerl auf einmal nicht mehr. Wahrscheinlich wäre keiner der Gottsöbersten gram, wenn was Anderes rausgekommen. Weil aber das rausgekommen ist, was eben rausgekommen ist, darf nix geredet werden.
Weil da ist so eine Regel, die bei den Zwergerln gilt. Manche sagen, dass Durchsicht was Wichtiges ist, weil man nur dann beim Scherbengericht gescheit mitreden könnte. Unsere gottsöbersten Zwerge passen aber gut auf uns auf und entscheiden auch für uns. Und weil das so ist, brauchen wir auch keine Durchsicht. Bei uns gilt die Zwergerlnixwissenregel. Transparenz wird oft und oft genannt, aber die meisten Zwergerln glauben, das hat was mit Schwitzen zu tun. Nein, nein, in unserer großen, schönen Stadt, darf man nur den Trommlern und Schreiberlingen was sagen, wenn die Gottsöbersten das erlauben. Und wenn denen was nicht passt, dann ist’s nix mit Durchsicht oder so, zum Beispiel, das was Zwadam nach viel Denken, Planen, Reden und Rechnen herausgefunden hat. Nein, dann heißt‘s Pappulatur zu, nix reden und nur zum Essen aufmachen. So ist das bei uns diesseits und jenseits des großen blauen Flusses.

Und jetzt wollten, so hörte Zwadam es trommeln, ausgewählte Geburtszwegerln von einem der Gottsöbersten, dem Oberzwerg Garbold wissen, was denn der Zwadam da herausgefunden hatte. Aber Garbold, der Oberzwerg sagte nur, so wurde erzählt: nein, das muss noch reifen und sie werden es schon erfahren und er redete und redete bis den ausgewählten Geburtszwergerln ganz schwummelig war und das ist es ihnen jetzt noch immer. Jaja, so geht’s bei uns zu und alle, naja, nicht ganz: fast alle Bewohner des Zwergerllandes sind zufrieden ………

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