Eisen in der Schwangerschaft – meine persönliche Niederlage

Was passiert nur allzu häufig, wenn eine Frau sich eben schwanger geworden, bei ihrer Fachärztin oder ihrem Facharzt vorstellt? Sie bekommt ein Eisen- und ein Vitaminpräparat verschrieben. Ob das sinnvoll?. Kurz gesagt: ist seltenen Fällen ja, meistens nein. Der Hämoglobinwert (Hb) als Richtschnur für eine Blutarmut (Anaemie) sollte im ersten und dritten Schwangerschaftsdrittel möglichst nicht unter 11,0 g/dl und im mittleren nicht unter 10,5g/dl (oder g%) abfallen. Da die wahrscheinlichste Ursache für einen zu niedrigen Hb-Wert in der Schwangerschaft eine Eisenmangelanämie ist, kann manchmal die Einnahme eines Eisenpräparates Sinn machen. Meistens ist das aber nicht der Fall. NB: Vitamine nimmt frau am besten durch gesunde Ernährung zu sich.

Ich habe mir versucht auszurechnen, wie hoch das Einsparungspotenzial in Österreich ist. Hier der Versuch einer Modellrechnung: in Österreich werden

pro Jahr ca. 90.000 Babys

geboren. Fast alle Frauen bekommen Eisen verschrieben, sagen wir 80 % ist 72.000, benötigen tun es grob geschätzt, 20 % =

50 % nehmen es unnötig = 36.000.

 Wenn sie Pech haben leiden diese Frauen dann unter Verstopfung, einer häufigen Nebenwirkung.

Diese 36.000 nehmen ab der, sagen wir, 8. Schwangerschaftswoche bis zum Ende der Stillzeit von ca. 4 Monaten täglich eine Eisenkapsel. In Tagen bedeutet das 345 Tage. Das multipliziert mit 32 000 Frauen, die das nicht benötigen, ergibt

ca. 11 330 000 unnötig genommene Kapseln.

Bei einem Preis von etwa 10 Euro für eine 100er Packung ergibt das eine

vermeidbare Ausgabe von über einer Million Euro

für Österreich.

Aber warum lassen die Frauen das widerstandslos über sich ergehen? Weil – man glaubt es nicht – auf den Laborbefunden fast immer dieNormalwerte für nichtschwangere Frauen als Referenzwert ausgewiesen werden! Und der ist deutlich höher: 12 g/dl!

Zum Verständnis für Laien: in der Schwangerschaft werden Frauen biologisch optimal auf die Geburt vorbereitet. Dazu gehört, dass das Blutvolumen bzw. der flüssige Bestandteil des Blutes um ca. ein Drittel zunimmt. Das hat den Sinn, dass bei der Geburt ein großer Blutverlust stattfinden kann, ohne dass die Gebärende in Gefahr gerät. Weil aber nur die „Flüssigkeit“ mehr wird, die Zellen darin aber (z.B. rote Blutkörperchen) in Ihrer Zahl gleich bleiben, kommt es zu einem Verdünnungseffekt, der sich im Blutbefund so zeigt, dass die roten Blutkörperchen und damit auch das Hb scheinbar weniger werden.

Jede Frau, die ihren Blutbefund bekommt, liest ihn – eh klar. Und wenn dann dort steht, dass ihr Hb zu niedrig ist, dann nimmt sie – eh klar – bereitwillig ein Eisenpräparat.

Ich wollte diesen Mangel beheben und habe die Leiterin des Labors angerufen, in das ich Blutproben schicke. Sie hatte großes Verständnis und war bereit, diesen Mangel zu beheben. Ab sofort würden bei jeder schwangeren Frau die korrekten für die Schwangerschaft adaptierten Normalwerte ausgewiesen – bloß hat das nur einige Mal funktioniert und dann wieder nicht. Jede Intervention meinerseits hat dann kurzfristig zu korrekten Laborbefunden geführt. Dann habe ich es aufgegeben. Außerdem dachte: was nützt es, wenn „meine“ Frauen einen korrekten Laborbefund bekommen, der Rest aber nicht?

Also habe ich mich an die Fachgruppe meiner Ärztekammer gewandt und das Problem ausführlich dargelegt. Der Fachgruppenobmann G.B. hat sofort reagiert und ein Gutachten bei Prof. W.E. bestellt. Ergebnis: er hat das bestätigt, was ohnehin allgemein bekannt war: nicht unter 11,0 g/dl im ersten und letzten Drittel und im mittleren nicht unter 10,5g/dl.

Konsequenz: keine! Die Labors würden nur dann ihre Befunde in der geforderten Weise ändern, wenn die ÖGGG (Österr. Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) das fordern würde. Nicht böse sein. so G.B. dafür fehlt die Energie. Es gibt Wichtigeres …

Als wende ich mich mit den Stellungnahmen G.B.s und Prof. W.E.s an die Patientenanwaltschaft meines Bundeslandes. „Wir können nur etwas machen, wenn sich eine Patientin mit einer Beschwerde an uns wendet.“ Wie sollte das eine Frau tun, wenn sie gar nicht weiß, dass sie etwas unnötigerweise nimmt?

Und so bleibt alles, wie es ist: mehr als eine Million Euro wird zum besonderen Schaden der Frauen, die unnötig ein Medikament nehmen, und zum Schaden der Solidargemeinschaft aller Versicherten verschwendet

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