Bonding, welch wunderbares Wort. Es beschreibt diesen unglaublichen Prozess unmittelbar nach der Geburt eines Kindes, indem es – das Neugeborene – die Mutter und ev. den Vater an sich bindet. Den amerikanischen Kinderärzten Marshall und Klaus war bei ihren Studien aufgefallen, dass frühkindlich = unmittelbar nach der Geburt getrennte Neugeborene häufiger von ihren Müttern geschlagen wurden als nicht getrennt Babys.
Einschub: Bedeutung hat das Bonding vor allem in Situationen, wo das Verhältnis zwischen Müttern und Kindern / Vätern und ihren Kindern zum Zeitpunkt der Geburt nicht geklärt ist. Kinder, die geliebt werden, kann man trennen so viel man will: sie werden weiterhin geliebt werden. Und abgelehnte Kinder werden abgelehnt werden, wie perfekt auch immer die Geburtssituation gestaltet sein möge. Aber wenn es zum Zeitpunkt der Geburt offen ist, ob ein Kind geliebt wird oder nicht, dann ist die Situation sehr wohl von allergrößter Bedeutung!
Zurück zum Bonding. Es ist also wichtig und schön und bereichernd und was weiß Gott nicht noch alles, wenn die Zeit nach der Geburt ungestört der Mutter und ihrem Baby gehört (natürlich unter der Voraussetzung, dass kein medizinisches Problem vorliegt, das einer unverzüglichen Behandlung bedarf). Das wichtigste Wort ist dabei: ungestört.
Ich spüre so richtig die Wut in mir aufsteigen, wenn ich höre: „Bei uns wird das Baby gleich nach der Geburt der Mutter auf den Bauch gelegt“. Die geneigte LeserIn wird sich jetzt vielleicht denken: „Was regt ihn denn auf? Ist doch schön.“ Nein ist es nicht. Das ist ein ungebührlicher Eingriff in einen natürlichen, wenn nicht biologischen Vorgang, und zwar ein schwerwiegender!
Letztens war ich bei einem Hearing rund um eine Anstellung, bei dem eine Hebamme gefragt wurde, wie sie – wörtlich – bondet. Frage und Antwort zeigen, dass die Beteiligten diesen Vorgang gar nicht verstanden haben! Man hätte sie fragen können, was sie von Binding hält oder ob sie Bonding unterstützt und, wenn ja, wie.
Um Ihnen nahezubringen, was erfolgreiches Bonding ist, möchte ich ein Erlebnis teilen, das ich vor rund 30 Jahren haben durfte. Eine Freundin, Ärztin, hatte sich entschlossen, ihr Kind zu Hauses zu bekommen. Das ging alles in großer Ruhe und Harmonie vor sich. Die meiste Zeit war sie auf ihren Wunsch mit der Hebamme alleine. Das war in Ordnung, weil medizinisch alles passte. Als es dann zur Geburt kam, wollte sie, dass ich auch im Raum sein sollte. Schließlich gebar sie ihre Tochter im Vierfüßlerstand auf Ihrem Bett. Das baby lag zwischen ihren Beinen und sie beachtete es überhaupt nicht. Sie war nur erschöpft und ich glaube auch verwirrt. Sie schaute die Hebamme an, nach etwa einer Minute auch mich, das Baby würdigte sie keines Blickes. Sie wirkte völlig unbeteiligt. Ich erinnere mich, dass mich zunehmend innere innere Unruhe überkam. Und weil sich Andrea weiterhin nicht ihrer Tochter zuwandte stieg in mir die Gewissheit auf, dass Andrea einfach ihre Tochter ablehnt. Ca. 5 Minuten war das so und ich bin heute noch froh, dass ich nicht interveniert habe und Andrea dankbar, dass ich in diesen Momenten viel lernen durfte. Nach rund 5 Minuten begann sie sie ihre Tochter wahrzunehmen und wenigen Augenblicke später wandte sie sich ihr dann ganz zu, nahm sie auf und drückte sie an sich, wärmte sie und gehörte ganz ihr.
Verstehen Sie jetzt was Bonding ist? Jeder Frau die für sie nötige Zeit geben. Zeit sich zu sammeln, Zeit, sich zu orientieren und Zeit für Ihre Entscheidung, wann es für sie richtig und passend ist, sich ihrem Baby zuzuwenden. Es gibt keine Regel, außer der, dass es keine korrekte Dauer gibt. Jede ist korrekt. Unsere Aufgabe ist es nur, diesen Rahmen bereitzustellen und zu schützen. Sonst nichts. Das Baby erobert sich die Mutter (oder den Vater) haben das Klügere als ich genannt. Schöner bzw. klarer kann man es nicht sagen. Und wenn sie gerade dabei sind, Mutter zu werden, so möchte ich sie dazu animieren, dass sie im Vorhinein sagen: „Mir legt niemand mein Kind auf meinen Bauch. Ich nehme es, wann mir danach ist!“.
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